Das Wichtigste zur Vorratsdatenspeicherung in Kürze
- Ab dem 01. Juli 2017 sollte die Vorratsdatenspeicherung einsetzen. Alle Provider von Telekommunikationsdiensten waren eigentlich ab diesem Tag dazu angehalten, Verbindungs- und Standortdaten über einen längeren Zeitraum zu speichern. Am 28. Juni 2017 jedoch erklärte die Bundesnetzagentur die Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zum ordentlichen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens.
- Die Standortdaten aller Bürger sollen für vier Wochen, deren Kommunikations- und andere Verbindungsdaten bis zu zehn Wochen vorsorglich gespeichert werden.
- Noch immer sind unzählige Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Eine Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung soll es aktuell in diesem Jahr jedoch nicht mehr geben.
Was ist die Vorratsdatenspeicherung?
Inhaltsverzeichnis

Zunächst sind die personenbezogenen Daten also nicht ohne Weiteres einseh- oder verarbeitbar. Die Telekommunikationsdienstleister sind jedoch dazu verpflichtet, diese regelmäßig und zu jeder Person für mehrere Wochen zu speichern und auf berechtigte Anfrage hin an die öffentlichen Stellen wie Polizei und Staatsanwaltschaft, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst u.a. herauszugeben.
Die gespeicherten Daten sollen letztlich bei Bedarf zur Aufklärung schwerer Straftaten und zur Gefahrenabwehr genutzt werden können. Sie unterliegen damit auch weiterhin dem Datenschutz.
Vorratsdatenspeicherung: Was genau wird gespeichert?

Zunächst sollen laut der Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung bestimmte Kategorien personenbezogener Daten von Providern und Telekommunikationsdiensten gespeichert werden, nämlich:
- Standortdaten bei Aufnahme eines Telefonats über das Mobiltelefon (Dies betrifft alle Teilnehmer der Telefonate, also sowohl Anrufer wie auch Angerufenen.)
- Standortdaten zu Beginn der mobilen Internetnutzung über das Mobiltelefon oder andere mobile Kommunikationsgeräte (inklusive WhatsApp-Nutzung, Skype usf.)
- bei Telefonaten (mobil oder Festnetz) sowohl die Rufnummern als auch den Zeitpunkt und die genaue Dauer der Gespräche
- bei SMS/MMS-Nachrichten sowohl die Rufnummern als auch die Sende- und Empfangszeiten
- die jeweils zugewiesenen IP-Adressen eines jeden Internetnutzers sowie Dauer und Zeitpunkt der Nutzung
Im Kern geht es bei der Vorratsdatenspeicherung also um die Erhebung von Daten, die einen Einblick darauf ermöglichen, wann Sie mit wem von wo aus und in welcher Form in Kontakt getreten sind. E-Mails sind dabei explizit von der Vorratsdatenspeicherung ausgenommen. Der erste Gesetzentwurf 2007 sah deren Speicherung noch vor.
Höchstspeicherfrist bei der Vorratsdatenspeicherung: Wie lange sollen die Daten gespeichert werden?

Bei der Vorratsdatenspeicherung ist die Dauer der Hinterlegung abhängig von den jeweils gespeicherten personenbezogenen Kommunikationsdaten. Dabei ist zwischen zwei Kategorien zu unterscheiden:
Erfasste Standortdaten müssen für vier Wochen gespeichert werden, unabhängig davon ob Sie aus der mobilen Internetnutzung oder einem Telefonat resultieren.
Alle anderen gespeicherten Daten müssen für zehn Wochen bei den Providern und Telekommunikationsdienstleistern hinterlegt werden. Nach Ablauf der Frist sind die gespeicherten Daten sicher zu löschen.
Was wird die Vorratsdatenspeicherung Provider und Dienstleister kosten?
Mit Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung müssen Provider und Kommunikationsdiensleister die Infrastrukturen in ihren Unternehmen umfassend angleichen. Sowohl personell als auch technologisch bedarf es einer Aufrüstung, um die sachgemäße und sichere Speicherung der sensiblen Daten vor unbefugten Zugriffen zu schützen und so einen höchstmöglichen Datenschutz im Unternehmen zu gewährleisten. Das bedeutet natürlich auch erhöhte Ausgaben.
Wie teuer das am Ende für jedes einzelne Unternehmen wird, lässt sich nicht exakt beziffern. Die Schätzungen reichen von je einstelligen bis hin zu niedrigen zweistelligen Millionensummen je Unternehmen. Insgesamt werden die Kosten der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland auf 250 Millionen Euro geschätzt. Inwieweit die Anbieter diese Kosten letztlich wieder auf Ihre Kunden umlegen, bleibt abzuwarten.
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung

Es ist nicht der erste Versuch der Bundesregierung, die Vorratsdatenspeicherung fest in der deutschen Rechtslandschaft zu verankern. Schon im Jahre 2007 wurde das “Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG” verabschiedet und trat 2008 in Kraft.
Zahlreiche Klagen wurden schon damals vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Am 02. März 2010 wurde die Vorratsdatenspeicherung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt und eingestampft.
Dennoch gab die Regierung nicht auf: 2015 wurde ein neues Vorratsdatenspeicherungsgesetz verabschiedet und trat im Dezember desselben Jahres in Kraft. Mit Wirkung zum 01. Juli 2017 sollten nun alle Provider und andere Telekommunikationsdienstleister die Vorratsdaten speichern – für vier bzw. zehn Wochen. Am 28. Juni 2017 jedoch, also zwei Tage vor der endgültigen Umsetzung, hat die Bundesnetzagentur nun die Vorratsdatenspeicherung bis auf Weiteres ausgesetzt. Es soll die abschließende richterliche Entscheidung abgewartet werden, die jedoch in diesem Jahr kaum noch zu erwarten ist.
Das “Gesetz zur Einführung einer Speicherfrist und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten” beschreibt die Anpassungen, die in den entsprechenden Gesetzen erfolgen: der Strafprozessordnung (StPO), des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sowie des Strafgesetzbuches (StGB).
Wann dürfen öffentliche Stellen auf die hinterlegten Daten zugreifen?

Am wesentlichsten sind die Veränderungen der StPO. Hier ist ein eigens gefasster neuer Paragraph eingefügt worden, in dem bestimmt ist, wann der Zugriff auf die durch Vorratsdatenspeicherung erfassten Daten zulässig ist.
Liegt ein begründeter Verdacht vor, dass eine Person Täter oder Beteiligter an einer in §§ 100a oder 100g StPO festgehaltenen Straftat (oder eines strafbaren Versuchs) ist, können die Ermittlungsbehörden auf die Verbindungsdaten zugreifen. Es bedarf dabei meist zunächst einer richterlichen Anordnung. Unter anderem folgende Straftaten begründen den Zugriff auf die gespeicherten Daten:
- Hoch- und Landesverrat
- Staatsgefährdende Straftaten
- Mord und Totschlag
- sexueller Missbrauch von Kindern
- gemeinschaftliche Vergewaltigung/sexuelle Nötigung
- Geld- und Wertzeichenfälschung
- Raub und Erpressung
- Bandendiebstahl und Bandenhehlerei
- Sportwettbetrug
- besonders schwere Urkundenfälschung
- Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern
- schwere Fälle von Steuerhinterziehung
- Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung
- Einschleusen von Ausländern
- Völkermord
- schwere Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkotrollgesetz
- gewerbsmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln
- u. v. m.
- Bundespolizei sowie die jeweilige Landespolizei
- Staatsanwaltschaften
- Ordnungsbehörden
- Verfassungsschutz
- Bundesnachrichtendienst
- Militärischer Abschirmdienst
Was sagt das Bundesverfassungsgericht zur Vorratsdatenspeicherung?

Wie bereits erwähnt sah das Bundesverfassungsgericht die auf dem 2007 errichteten Gesetz basierende Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig an und kippte damit den ersten ernsthaften Versuch der Bundesregierung. Die verdachtsunabhängige Speicherung von Daten aller Bürger verstoße unter anderem gegen Artikel 10 des Grundgesetzes: die Unverletzlichkeit des Brief-, des Post- sowie Fernmeldegeheimnisses.
Die Vorratsdatenspeicherung sei laut Urteil zwar grundsätzlich denkbar. Es bedürfte aber einer dezentralen Speicherung der Daten und spezifisch definierter schwerer Straftaten, aufgrund derer die öffentlichen Stellen auf die Daten zugreifen dürften.
Zudem sei in vielen Bereichen nicht berücksichtigt worden, dass unter den gegebenen Voraussetzungen auch das besondere Berufsgeheimnis in Bedrängnis käme und Anwälte, Ärzte, Steuerberater und Co. ebenfalls damit rechnen müssten, überwacht zu werden. Auch wenn das neue Gesetz zwar unterbindet, dass derlei Daten abgefragt werden können, der Speicherpflicht unterliegen sie dennoch.
Zu dem aktuellen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung der Kommunikationsdaten sind zahlreiche Klagen anhängig. Eine Entscheidung wird es in diesem Jahr jedoch nicht mehr hierzu geben.
Vorratsdatenspeicherung: Aktueller Stand
Ein Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, um die Vorratsdatenspeicherung doch noch vor deren Einführung zu stoppen, scheiterte zuletzt am 15. Juni 2017. Die Kläger aus Wirtschaft, Politik und juristischen Berufen sahen sich der Begründung gegenüber, dass die “effektive Strafverfolgung” zunächst Vorrang habe.
Das Bundesverfassungsgericht stellte bereits klar, dass es in diesem Jahr keine Verhandlung geschweige denn eine Entscheidung zur neuen Vorratsdatenspeicherung geben wird. Die Konsequenz daraus bedeutet:
Gibt es eine EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung?

Es gab in der Tat eine – bis zum Jahre 2014. Nachdem die Vorratsdatenspeicherung ein erstes Mal im Jahre 2010 in der Bundesrepublik gescheitert war, reichte die EU-Kommission Klage gegen die deutsche Bundesregierung ein. Der Grund: Die nicht erfolgte Umsetzung der zur Vorratsdatenspeicherung errichteten EU-Richtlinie 2006/24/EG, die bereits seit Mai 2006 in Kraft war. Aber hier kam der Europäische Gerichtshof (EuGH) der BRD indirekt zu Hilfe:
Als Begründung gab er an, dass die Richtlinie gegen mehrere Grundrechte verstoße, die die Grundrechtecharta jedem Bürger der EU-Mitgliedstaaten einräumte: die Achtung der Privatsphäre und des Familienlebens, den Schutz personenbezogener Daten und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Zwar sei die Sammlung personenbezogener Daten nicht in jedem Fall unrechtmäßig, dennoch müsste diese starken Einschränkungen und einer festgelegten Eingrenzung des Personenkreises unterliegen.
Das war das vorzeitige Ende einer gemeinsamen Linie zur Vorratsdatenspeicherung in Europa. Deutschland entkam hohen Strafzahlungen. Ein Lieblingsprojekt der Regierenden blieb sie aber dennoch.
Vorratsdatenspeicherung: Pro & Contra

Wie alles im Leben offenbart auch die Vorratsdatenspeicherung Vor- und Nachteile. Doch welche Seite überwiegt? Schon das Wort allein erhitzt viele Gemüter. Schon seit über zehn Jahren brodelt die Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürwortern. Letztere begründen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gerne damit, dass so dem internationalen Terror – mit seinen unterschiedlichsten Fratzen -, der sich immer weiter und verzweifelter ausbreite, Einhalt geboten werden könne.
Die Widersacher halten dagegen und stützen sich gerne auf das tragische Beispiel Frankreich, ein Land, in dem es die Vorratsdatenspeicherung bereits gibt: Anschläge verhindert hat sie jedoch kaum, wie die Menschen in den letzten Jahren immer wieder erfahren mussten, sondern lediglich bei der Aufklärung geholfen. Gleiches gilt auch für Großbritannien, dem Land, in deren Hauptstadt einem an jeder Straßenecke ein Schild begegnet mit der Aufschrift: “Smile! You’re on CCTV” (Bitte Lächeln! Sie werden auf Video aufgezeichnet!). Meint also am Ende mehr Überwachung doch nicht zugleich mehr Sicherheit, sondern nur weniger Freiheit?
Im Folgenden stellen wir Ihnen eine Zusammenfassung einiger Argumente für und gegen die Vorratsdatenspeicherung vor, damit Sie sich selbst ein Bild von den verhärteten Fronten machen können:
Pro Vorratsdatenspeicherung | Contra Vorratsdatenspeicherung |
---|---|
Sie soll für eine verbesserte Terrorabwehr sorgen. | Vorratsdatenspeicherung kann angesichts der Tragödien in Frankreich und England Terror nicht gänzlich verhindern. |
Sie erleichtert die Aufklärung von Verbrechen, führt so Täter ihrer gerechten Strafe zu und verhindert weitere Verbrechen. | Die Vorratsdatenspeicherung ist kein Allheilmittel bei der Verbrechensaufklärung. Auch herkömmliche Ermittlungsmethoden können greifen. |
Ermöglicht die Aufdeckung von kriminellen Vereinigungen. | Die verdachtsunabhängige Speicherung stellt alle Menschen unter einen Generalverdacht. |
Das Internet kann durch Vorratsdatenspeicherung nicht mehr als rechtsfreier Raum gelten. | Mit geringem Aufwand lassen sich IP-Adressen und andere Spuren im Netz auch weiterhin auf ein Minimum reduzieren. |
Es werden keine Kommunikationsinhalte gespeichert. | Es werden zumindest Inhalte von SMS/MMS gesammelt. |
Der Zugriff auf die Vorratsdaten wird nur unter strengen Auflagen zugelassen. | Eine hundertprozentige Sicherheit vor dem Missbrauch gespeicherter Daten gibt es nicht. |
Die Vorratsdatenspeicherung ist nach Bundesverfassungsgericht grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar. | Die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen sind durch die Höchstspeicherfrist maßgeblich eingeschränkt. |
Die gespeicherten Daten zu Anwälten und anderen Vertrauensberufen sind vor Zugriff geschützt. | Das Berufsgeheimnis von Anwälten, Notaren, Ärzten & Co. wird aufgeweicht, da trotz fehlender Zugriffsrechte dennoch sämtliche Daten gesammelt werden. |
Die Provider müssen höchste Sicherheitsauflagen erfüllen und Mitarbeiter entsprechend schulen. | Es fehlt an unabhängiger Kontrolle, welche Daten am Ende tatsächlich gespeichert, abgefragt und wie und wann genutzt werden. |
Mehr Überwachung führt zu mehr Sicherheit. | Mehr Überwachung führt zu weniger Freiheit. Und absolute Sicherheit gibt es nicht. |

Sicher ist: Beide Seiten haben gute Argumente. Doch bleibt die Frage, wie weit die Bereitschaft der Menschen in Zukunft gehen wird, auf eigene Freiheiten zu verzichten, nur um vermeintlich mehr Sicherheit zu gewinnen.
Es ist ein großes Problem der Vorratsdatenspeicherung im Internet und der Telekommunikation, dass vor allem die Versprechungen, mit denen so mancher Politiker und Verfechter der Höchstspeicherfrist sich an die Bevölkerung wendet, sich als offensichtliche Mogelpackung entpuppen. In Zeiten, in denen Angst und Unsicherheit propagiert werden, ist es leichter, mit immer weiteren Mitteln zur Überwachung mehr Sicherheit zu versprechen. Immer weitere Überwachungsmethoden werden nach und nach durchgesetzt – von der Ausweitung der Videoüberwachung bis hin zu dem nun ins Gespräch geratenen Staatstrojaner.
Aber: Die Vorratsdatenspeicherung ist nicht dafür geeignet, die Sicherheit im Land insgesamt zu erhöhen, sondern vor allem dafür, bereits begangene Straftaten aufzuklären. Terroristische Anschläge, Morde, Vergewaltigungen, Kinderpornographie und andere schwerwiegende Straftaten gänzlich verhindern kann sie aber nicht.
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